Abenteuerurlaub in Krisengebieten?

30. Januar 2014 | Von | Kategorie: Reiseblogger, Tipps & Sonstiges

Reisen in Krisengebiete. Ja oder Nein? (Teil 1)

In vielen Ländern ist die politische Lage derzeit instabil. Das gilt auch für einige der beliebtesten Reiseziele der deutschen Urlauber. Immer häufiger werden Gebiete, die durch Krieg oder Terrorismus gefährdet sind, bereist. Abenteuerurlaub in Kriegsgebieten?
Mittlerweile gibt es sogar ein Reisebüro das sich auf derartige Reisen spezialisiert hat. Sind Reisende in Kriegs- und Katastrophengebieten mit den Gaffern bei Unfällen zu vergleichen, sind sie einfach nur unbedarft oder gibt es auch gute Gründe dort hin zu reisen?

Reisen in Krisenregionen. Ja oder Nein? Wie steht ihr als Reiseprofis zu diesem Thema? Diese Frage habe ich verschiedenen Reisebloggern gestellt. Viele interessante Antworten erreichten mein Postfach. Im Folgenden der erste Teil der eingegangenen Antworten.
 

Christian von My Travelword

Bei Reisen in Krisengebieten ist meiner Meinung nach die entscheidende Frage: helfe ich mit dieser Reise (den Einwohner) oder schade ich?

Ein Ansatzpunkt, dies zu beantworten, ist sicher die Motivation der Reise: möchte ich mir das Elend der Leute anschauen (ja, auch so etwas soll es geben, siehe Katastrophentourismus und Gaffer), möchte ich einfach nur Urlaub machen und schere mich nicht um die Lage des Landes oder reise ich sogar extra in ein betroffenes Land, um dort karikativ tätig zu werden.
Während bei dem ersten Punkt (Katastrophentourismus) das No-Go und beim letzten Grund (karikativer Zweck) das deutliche Ja wohl klar ist, kann die Akzeptanz eines reinen Erholungsurlaub wohl nur jeder selber beantworten.

– Badeurlaub am Roten Meer, während sich in Kairo die politischen Parteien die Köpfe einschlagen – für mich ok, da Ägypten wie kaum ein anderes Land vom Tourismus abhängig ist und demzufolge auch Millionen Familien davon ernährt werden.
– Rundreise durch Japan mit Abstecher nach Fukushima – für mich ein No-Go, da neben dem reinen Katastrophengedanken auch eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes besteht.
– Studienreise durch Nordkorea – für mich zwiespältig, aber tendenziell ok, da durch solch eine Reise vor allem ein klareres Bild von einem durch die Medien sehr abgestempelten Land erzeugt werden kann. Allerdings glaube ich nicht, dass von den hohen Reisekosten viel beim Volk ankommt.

Im Grunde genommen muss jeder selbst entscheiden, ob er einen Urlaub in einem Krisengebiet moralisch vertreten kann. Wichtig ist, dass man durch seine Reise niemanden schadet und gefährdet (weder sich selbst noch andere) sowie wenn möglich vor Ort auch die ein oder andere gute Tat – in welcher Form auch immer – für die Einheimischen vollführt.
Ich selbst war übrigens noch nie in einem Krisengebiet – und meistens zieht es mich dort aufgrund der lokalen Situation auch nicht hin.

Urlaub in Krisengebieten
(Foto: Christian Jannasch)

Carolin vom Blog Esel unterwegs

Ich bin ein ziemlicher Angsthase. Man sieht es mir vielleicht nicht an, aber gefährlichen Situationen gehe ich lieber aus dem Weg. Dies ist auch der Hauptgrund, warum ich eher nicht in Krisengebiete fahren würde.
Zu Krisengebieten zähle ich dabei in erster Linie Länder oder Regionen, die von Kriegen und/oder Naturkatastrophen heimgesucht wurden. Solange ich keinen wertvollen Beitrag zur Verbesserung der Lage vor Ort leisten kann, muss ich auch nicht dahin reisen.

Ganz aktuell würde ich z.B. nicht nach Ägypten reisen, auch wenn ich weiß, dass dem Land die wirtschaftlichen Einnahmen aus dem Tourismus fehlen. Auf der anderen Seite sind auch die Flutregionen im Osten Deutschlands ein Krisengebiet. Die Spuren des Hochwassers sind teilweise noch immer sichtbar. Da ich selbst aus Sachsen-Anhalt komme, weiß ich, dass Hoteliers und Gasthöfe jetzt wieder auf Gäste warten und sie dringend benötigen. Und wenn ich mit positiven Eindrücken und Bildern dazu beitragen kann, mehr Menschen dorthin zu locken, helfe ich gern. Allerdings ist eine Naturkatastrophe auch noch einmal anders zu bewerten als ein Krieg bzw. politische Unruhen.

Carolin Hinz
(Foto: Carolin Hinz)

Nadine von Planet Hibbel
Im Jahr 2006 bin ich mit meinem Rucksack durch Myanmar gereist. Eine Zeit, in der das Land noch unter strenger militärischer Diktatur stand. Internetzugang gab es eigentlich gar nicht, ca. alle 2 Tage wurde im ganzen Land komplett der Strom abgeschaltet, Individual-Touristen durften nur in ganz bestimmte Gebiete reisen und wurden zudem vom Militär überwacht.
Wir hatten immer und überall das Gefühl verfolgt und beobachtet zu werden. Die Burmesen haben nur hinter vorgehaltener Hand über Ihr Idol „Lady“ Aung San Suu Kyi gesprochen, die zu dieser Zeit noch unter Hausarrest stand und in Mandalay habe ich sogar Lepra-Kranke gesehen. Myanmar war streckenweise wie eine Reise in die Steinzeit.

Eigentlich halte ich nichts von Krisen- oder Kriegsgebiettourismus. Myanmar hat es jedoch scheinbar gut getan Individualtouristen ins Land zu lassen und sich damit der Welt endlich zu öffnen. Seit 2006 hat sich dort unglaublich viel verändert und 2014 scheinen Touristen in Massen in dieses Land zu strömen. Darüber freue ich mich einerseits, andererseits wird Myanmar damit wohl auf Dauer auch seine Ursprünglichkeit verlieren.

Myanmar
(Foto: Nadine Diz Freire)

Martin von Biketour Global
Wenn es in einem Land Krieg gibt, oder besondere Gefahr durch Terrorismus ausgeht, dann würde ich ehrlicherweise nicht dorthin reisen. Das macht es manchmal nicht einfach für jemanden wie mich, der lieber in die wilden Länder reist. Und manchmal verändern sich Situationen sehr schnell und man steckt mittendrin.

Mir ist das bislang nur vier Mal passiert.
Einmal in Kurdistan, auf dem Weg nach Syrien. Hier steckte ich plötzlich in einer türkischen Militäroperation und musste schnell wieder aus dem Einsatzgebiet raus. Aber außer Absperrungen und nervösen Militärs habe ich nicht viel mitbekommen.
Ein anderes Mal erlebte ich einen Bombenanschlag in Israel. Nicht direkt, aber in der Stadt. Nach dem dumpfen Knall hielten die Menschen kurz inne und machten dann weiter wie gehabt. Eine komische Situation für mich.
Das dritte Mal kam unverhofft: während meiner Zeit an der Deutschen Botschaft in Mauretanien kam es zu militärischen Auseinandersetzungen mit dem Senegal. Eine Woche lang waren die Straßen in der Hauptstadt Nouakchott wie leer gefegt und das Militär in Alarmbereitschaft, dann glätteten sich die Wogen wieder.
Das vierte Mal war ebenfalls in Mauretanien, mitten in der Sahara auf dem Weg nach Mali. Hier wurde ich gewarnt, dass eine Entführung wahrscheinlich ist. In der Tat hatte ich seit geraumer Zeit Begleiter, weshalb ich mit Hilfe eines Buschtaxifahrers in der Nacht schnell die Grenze nach Mali überquerte.

Wenn eine Reiseroute durch potentiell gefährdete Regionen geht, dann halte ich die Augen noch offener als sonst, suche den intensiven Kontakt zur heimischen Bevölkerung und erkundige mich bei Polizisten nach der Situation. Das ist mein persönliches Radar und zusammen mit einem gesunden Instinkt ist bislang alles gut gegangen.

Martin Moschek
(Foto: Martin Moschek)

Robert vom Reiseblog So schee scho
In akute Krisengebiete reise ich nicht. Grenzfälle sind für mich Länder wie Israel und Palästina, wo ich häufiger bin und versuche, journalistische Geschichten auch jenseits der ständigen Kriegs- und Katastrophenmeldungen zu finden.

Von Tourismus in akuten Krisengebieten halte ich nichts. Die Leute bringen sich in Gefahr und behindern diejenigen, die den Opfern wirklich helfen können. Etwas anderes ist es vielleicht, wenn Gäste/Touristen in Projekten wirklich helfen können oder durch ihre Anwesenheit Schutz (etwa durch Zeugnis/Öffentlichkeit) bieten können. Mancherorts können sie den Einheimischen vielleicht auch das Gefühl geben, dass sie von der Welt nicht vergessen werde.
Ein Beispiel: Die Alternative Tourism Group ATG vermittelt Aufenthalte bei palästinensischen Familien, achten dabei aber sehr darauf, dass sich die Leute damit nicht in Gefahr bringen.

Robert B. Fishman
(Foto: Robert B. Fishman)

Madlen vom Reiseblog Puriy
Was ist ein Krisengebiet? Somalia, Syrien, Irak? Sicherlich bin ich auch gern abseits üblicher touristischer Pfade unterwegs, aber versuche dabei möglichst kein Sicherheitsrisiko einzugehen. Irak bereisen nur des Stempels willen ist nicht meine Form des Reisens. Klassische Kriegs- und Krisengebiete stehen nicht auf meiner Agenda, wenngleich ich nach wie vor gern nach Mali und in den Kongo reisen möchte.

Aufklärung ist wichtig, aber keine Panikmache. Ein realer Eindruck von der Situation aus der Ferne ist zwischen Angebereien in tollkühnen Reiseberichten und überspitzter Medienberichterstattung manchmal nur schwer zu finden. Vor meinen Reisen nach Ruanda, Uganda, Äthiopien oder Kolumbien schaute ich erschreckend häufig in fragende Gesichter: „Was willste denn dort. Das ist doch gefährlich.“ – alles keine Krisengebiete per se. Nein, nicht jedes Land ist pauschal gefährlich, das einzelne Regionen als Krisen- oder Kriegsschauplätze ausweist. Information und ein hohes Maß an Vorsicht ist das A und O.

Letztendlich muss man sich aber auch fragen, kann ich die Reise vor mir aus ethischen und sozialen Aspekten vertreten, denn ich halte nicht viel davon, die Augen vor den Tatsachen zu verschließen und das Negative im Land zu ignorieren, nur weil man sich selbst gerade an den Palmenstränden aufhält, während im Landesinneren die Bevölkerung mit Problemen kämpft. Leider habe ich auch diese Seite auf meinen Reisen viel zu häufig erlebt.

Dass es sich auch auf den Straßen Berlins oder im touristisch reizvollen Kapstadt gefährlich im Sinne von bewaffneten Überfällen und Einbrüchen lebt, haben Lars und ich schließlich auch schon erfahren müssen.

Madlen Brückner
(Foto: Madlen Brückner)

Vanessa von PureGlame TV
Als Luxus- und Lifestyle-Reiseblogger bereist man zwar seltener die Krisenregionen, aber auch ich durfte bereits die Erfahrungen einmal machen. Während der Unruhen in Bangkok im März/April 2010 war ich für einige Tage in der thailändischen Hauptstadt und musste selbst erfahren, wie unsicher man sich fühlt.

Bereits bei der Abholung vom Flughafen wurde mir vom damaligen Hotel erklärt, ich müsste mir keine Sorgen machen, alles wäre unter Kontrolle. Wenn der Wagen des Hotels dann jedoch, bevor er auf dem Gelände des Hotels ankommt auf Bomben untersucht wird, beginnt man sich Gedanken zu machen.
Auf den Zimmern lagen bereits Listen aus, welche Reiseziele und Plätze man in Bangkok besser nicht mehr besuchen sollte, wann man zurück im Hotel sein sollte und immer der Hinweis, „Alles ist ganz sicher – machen Sie sich keine Sorgen, verbringen Sie die Zeit im Hotel“.
Die Lage verschärfte sich von Tag zu Tag, die Demonstrationen fanden direkt vor dem Hotel nach einigen Tagen statt, an jeder Ecke der Straße wurde Militär aufgefahren und wenige Tage später brannte das Einkaufszentrum „Central World“ auf der gegenüberliegenden Straße vollständig ab.

Zur Zeit der Buchung der Flüge und der Hotels war die extreme Verschärfung der Lage noch nicht zu ahnen, sonst wäre man so ein Risiko sicherlich nicht eingegangen.

Als direkte Krisenregion würde man Bangkok zwar sicherlich nicht bezeichnen, aber mit der Ungewissheit, ob man das Land noch verlassen kann und darf, die Flüge umgebucht werden oder gar nicht mehr stattfinden, ist es eine Situation, die man nicht noch einmal erleben möchte.
Panzer auf den Straßen zum Airport, Militär an jedem Abfluggate, sind Momente, die man sicherlich nicht mit einer Reise verbinden möchte.

Vanessa Pure
(Foto: PureGlame.tv)
 
Wie ist deine Meinung zu diesem Thema? Warst du bei deinen Reisen schon mal in einer Krisenregion? Was spricht deiner Meinung nach dafür, was dagegen?
Wir freuen uns auf deinen Kommentar.

 
Abenteuerurlaub in Krisengebieten? (Teil 2)
Abenteuerurlaub in Kriegsgebieten (Teil 3)
 
 

Jo Igele Reiseblog – Reiseberichte und Reisetipps

 

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6 Kommentare auf "Abenteuerurlaub in Krisengebieten?"

  1. Ivana sagt:

    Hm, kommt darauf an, wie Du Krisengebiete definierst. Krisengebiet im Sinne von Kriegsgebiet oder kurz davor, nein da würde ich auch nicht hinreisen. Krisengebiet im Sinne von Diktatur und gehört zu den bösen Schurkenstaaten, ja, wenn ich das Gefühl habe, dass die Lage stabil ist und nicht im Begriff ist zu kippen. Konkret: Ukraine, Ägypten, Syrien nein, Thailand hätte ich sehr gemischte Gefühle. Ich war im Jemen, als es noch keine Unruhen gab, aber Touri-Entführungen und Bombenanschläge nicht auszuschließen waren (by the way, wo sind heutzutage Bombenanschläge auszuschließen…), Syrien, als noch der Vater von dem jetzigen Irren an der Macht war und Libyen zu Ghadaffis Zeiten. In beiden Ländern fühle ich mich sicher, auch wenn sie in den westlichen Medien als Terrorhochburgen auch schon vor Jahren verschrieen waren. Es ist immer eine persönliche Abwägung, ich denke, man sollte sich wirklich sehr gut informieren und die Risiken sehr genau abwägen.

    LG
    Ivana

  2. Antje sagt:

    Die Wahl meiner Reisezeile hängt weniger davon ab, ob es ein Krisengebiet ist, sondern davon, welche Gründe ich dafür habe, in die Region zu reisen. Einen lang geplanten Auftrag für eine Reportage, Bekannte oder Freunde dort (die müssen sogar dort leben) oder einfach nur, weil mir die Gegend gefällt und ich regelmäßig vor Ort bin. Und es ist selten so, dass ein Land flächendeckend betroffen ist, wenige Kilometer entfernt, sieht die Lage vielleicht ganz anders aus. Ein wichtiger Aspekt ist auch für mich, mit meiner Trotz-Krise-Reise die Menschen zu unterstützen, die vom Tourismus ihre Familie ernähren müssen. Weil es für sie gar keine Alternative gibt. Wissentlich in Gefahr würde ich jedoch weder mich noch andere bringen. Reisen in absolute Kampfzonen sind indiskutabel, das versteht sich eigentlich von selbst. Katastrophentourismus sowieso.

  3. Oli sagt:

    Ich bin da ganz bei Madlen. Die Kreisengebiete sind ja oft sehr eingegrenzt. Als ich vor ein paar Jahren in Vang Viang in Laos war, gab es im benachbarten Saisompung eine grossangelegte Militäraktion (manche sprachen auch von einer „ethnischen Säuberung“) in dessen Folge mindestens 50 Angehörige einer Minderheit erschossen wurden. In einer Distanz von etwa 30 Kilometer. Mitbekommen habe ich das alles aber erst eine paar Wochen später, als ich das bei der Gesellschaft für bedrohte Völker las. Man muss sich bewusst sein, dass man als Tourist nicht den gleichen Gefahren ausgesetzt ist als Einheimische, sowohl wenn man Abenteuerberichte von Möchtegernhelden liest, wie auch die Reisewarnungen vom Auswärtigen Amt.

  4. […] durch Mütterchen Russland. Jo Igele Reiseblog stellt seinen Reisebloggerfreunden die Frage ob man in Krisengebiete reisen dürfe: Ja darf man! Wenn man sonst schon alles gesehen hat, braucht man irgendwann härteres Zeug. […]

  5. […] Reisen in Krisengebiete auf joigele […]

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